Umverteilen bis zum Kollaps


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Seit Jahren kämpfen die Stadtwerke Gera AG (SWG) mit ihrer schwierigen finanziellen Lage. Aufgrund einer Wertberichtigung für ein Gaskraftwerk in Höhe von 18 Mio. Euro ist die Holding kürzlich in die Insolvenz gerutscht und daraufhin auch die Verkehrsbetriebe. „Auslöser war eine Abschreibung für das Gaskraftwerk im Jahr 2013, von der wir im April 2014 erfahren haben“, sagte Thüringens Finanzminister Wolfgang Voß (CDU) in einem Interview mit der Ostthüringer Zeitung am 7. Juli. Aufgrund dessen sei bei der Stadtwerke-Holding ein zusätzlicher Liquiditätsbedarf von 18 Mio. Euro entstanden. Am 27. Juni musste die Holding mit 25 Mitarbeitern einen Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Weniger Tage später traf es dann die defizitäre Geraer Verkehrsbetrieb GmbH (GVB) mit etwa 300 Mitarbeitern. Eigentlich sollte der Querverbund so etwas verhindern. Die GVB wurde über die Holding quersubventioniert.

Zu den Stadtwerken gehören sieben Tochterunternehmen, die unter dem Dach der Holding vereint sind: die Energieversorgung Gera GmbH, die Gera Netz GmbH, die Geraer Verkehrsbetrieb GmbH, die Wohnungsbaugesellschaft GWB „Elstertal“ mbH, die GUD Gerarer Umweltdienste GmbH & Co KG, die Flugbetriebsgesellschaft Gera mbH sowie die Kraftwerke Gera GmbH. Der Zuschussbedarf der GVB betrug 2012 rund 4,4 Mio. Euro. Der GVB-Chef betonte jedoch, dass der Fahrbetrieb aufrecht erhalten werde.

Zuvor hatten die Stadtwerke, der Stadtrat Gera sowie das Land Thüringen um mögliche Lösungen gerungen. Es sei unter anderem besprochen worden, einen „Teil der Stadtwerke-Kredite auf die Thüringer Aufbaubank umzuschulden“, zitiert die Ostthüringer Zeitung Voß weiter. Doch dafür hätte es einen Einstieg in nachhaltige Maßnahmen bedurft, die das Land Thüringen offenbar nicht sah.

Finanzielle Situation seit Längerem schwierig

Das Land Thüringen wolle zwar sehr wohl helfen, sagte ein Sprecher des Thüringer Finanzministeriums auf Anfrage. Aber dazu brauche es ein tragfähiges Konzept. Als Landesregierung sei man auch den Steuerzahlern verpflichtet. Die Stadt Gera ist Alleingesellschafter, hat jedoch selbst einen klammen Haushalt und erhielt in den vergangenen acht Jahren knapp 20 Mio. Euro an Sonderzuweisungen vom Land Thüringen.

Die Unternehmensgruppe mit ihren insgesamt etwa 1 000 Mitarbeitern schiebt bereits seit Jahren Verluste von einzelnen Töchtern in Millionenhöhe vor sich her. „Der steuerliche Querverbund hat von Anfang an nicht so funktioniert, wie offiziell dargestellt wurde“, zitiert die thüringische Landeszeitung die Stadt Gera am 26. Juni – einen Tag vor dem Insolvenzantrag der Holding. Um die zum Beispiel hohen Verluste aus dem öffentlichen Nahverkehr zu kompensieren, wurden unter anderem Gewinne der Töchter umgelenkt, Rückstellungen – etwa für Investitionen bei der Energieversorgung – nicht gebildet. Kritiker klagen laut Zeitungsberichten zudem darüber, dass die Stadtwerke unnötige Prestigeprojekte im Verkehrsbereich finanziert hätten.

Wirft man einen Blick in die Geschäftsberichte, werden die Probleme offenkundig. 2010 war eine Patronatserklärung der Stadt Gera nötig, damit die Stadtwerke überhaupt einen Kredit in Höhe von 8 Mio. Euro erhalten. Die wirtschaftliche Lage wurde in den darauffolgenden Jahren immer schwieriger. Im Geschäftsbericht von 2011 wurde die Situation als „angespannt“ bezeichnet. „Die Gesellschaft ist zur Aufrechterhaltung ihrer Liquidität auf die finanzielle Unterstützung durch den Gesellschafter angewiesen,” heißt es dort. Die Kreditverbindlichkeiten lagen Ende 2011 bei 230 Mio. Euro.

Verluste bei Nahverkehr und Energieversorgung

Im Geschäftsjahr 2012 konnte die Unternehmensgruppe zwar noch einen positiven Jahresüberschuss der SWG von 386 000 Euro ausweisen. Jedoch ist in dem Geschäftsbericht vor allem von Jahresfehlbeträgen einzelner Töchter zu lesen und das positive Jahresergebnis war rechnerisch nur möglich, weil die Stadt einen „Verlustausgleich“ von über 2 Mio. Euro. geleistet hatte. Trotz der städtischen Finanzspritze musste die SWG einen Bilanzverlust von rund 5 Mio. Euro ausweisen.

Die Energieversorgung Gera (EGG) − an der zu 49,9 % GDF Suez Energie beteiligt ist − musste beispielsweise 2012 laut Geschäftsberichtes ebenfalls einen deutlichen Gewinnrückgang hinnehmen. Bedingt durch einen schweren Turbinenschaden an der Gasturbine I im Heizkraftwerk Gera-Nord verringerte sich das Ergebnis nach Steuern von 5,13 Mio. Euro im Jahr 2011 auf 3,02 Mio. Euro. Deutlich höhere Verluste bei der Gera Netz GmbH in Höhe von 6,39 Mio. Euro (2012) hätten sich ebenfalls negativ ausgewirkt. Ein Jahr zuvor betrug der Verlust der Gera Netz, die die EGG vertraglich übernehmen musste, insgesamt 2,88 Mio. Euro.

Finanzminister Voß rechnet in ein bis drei Wochen mit ersten Vorschlägen vom Insolvenzverwalter Michael Jaffé, wie man die Stadtwerke umstrukturieren könne. Der Rechtsanwalt aus München teilte am 4. Juli mit, er müsse mit seinem Team nun erst einmal die komplexen Verflechtungen aufarbeiten.

Dabei könnten die Stadtwerke Gera kein Einzelfall bleiben. Nach einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) wird der finanzielle Spielraum vieler Stadtwerke immer enger. Laut dieser Studie führen auf der einen Seite die erforderliche Netzfinanzierung, die Marktliberalisierung im Endkundengeschäft und der seit rund drei Jahren ausgeprägte Preisdruck an den Strommärkten zu sinkenden Erträgen im Netzbereich sowie beim Absatz. Zudem erwirtschaften viele deutsche Energieversorger mit ihren Gas- und Kohlekraftwerken Verluste. Auf der anderen Seite würden die notwendigen Investitionen steigen. Dieser Spagat werde “zu einer außergewöhnlichen finanziellen Kraftanstrengung”.Klicken Sie bitte hier für ein Probeabo von E&M powernews.

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Juli 07, 2014

Heidi Roider

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